Jørgen K.

als Autor auf
Himmelsbeobachtung.net

Verweise:

Außergewöhnlich helles Oktober-Polarlicht
nach einem LD-Flare (X1.8)

Das bis dato hellste und somit „größte“ Polarlicht des 25. Sonnenzyklus ereignete sich mit der einsetzenden Nacht am Donnerstagabend, dem 10. Oktober 2024. Nicht ganz zwei Tage zuvor ereignete sich auf der Sonnenoberfläche ein X1.8 LD-Flare, welcher einen bemerkenswert starken Full-Halo-CME in Richtung unseres Planeten schleuderte. Die Bilder am SOHO LASCO C3-Satelliten rauschten kräftig im Ergebnis der einschlagenden Schockfront, derweil zog Komet C/2023 A3 (Tsuchinshan-ATLAS) durch die Aufnahmen – Weltraumwetter in einer wirklich beeindruckenden Form und außerordentlich spannende Oktober-Tage, die sich mit den folgenden Bildern ankündigten:

Mit freundlicher Genehmigung des SOHO/LASCO C3-Konsortiums. SOHO ist ein Projekt der internationalen Zusammenarbeit zwischen ESA und NASA.

Exkurs: Komet Tsuchinshan-ATLAS nur drei Tage später

Meine Begeisterung für die oben animierten LASCO-Satellitenbilder ist riesig, weshalb ich an dieser Stelle einen kleinen zeitlichen Sprung zum 14. Oktober 2024 machen möchte, bevor ich wieder das große Polarlicht vom 10./11. Oktober 2024 thematisiere: Nur drei Tage nach dem hier beschriebenen Polarlicht, zeigte sich mir erstmals Komet C/2023 A3 (Tsuchinshan-ATLAS) nach Sonnenuntergang, freisichtig mit einer scheinbaren Helligkeit von ca. 1,5-2 mag. Der Schweif war dabei mühelos mit dem bloßen Auge sichtbar.  Einfach großartig, wie sich die LASCO-Bilder in beeindruckende Momente der erdgestützten Himmelsbeobachtung gewandelt haben.

X-Flares und Stimmung in der Vorwoche

Eine Woche zuvor, während ich mich im nördlichen Dänemark befand, ereigneten sich drei starke, wohl gleich impulsive X-Flares auf der Sonnenoberfläche, welche alle zumindest teilweise erdgerichtet waren – keiner dieser Massenauswürfe beeinflusste auch nur ein Stück weit die Erdatmosphäre. Durch die Medien enorm gepuscht, kam es zur ersten richtig großen Enttäuschung in diesem Sonnenzyklus. Die Folge: Der X-Flare assoziierte CME, rund eine Woche später und welcher für das große Polarlicht-Ereignis am 10.10./11.10.2024 verantwortlich war, erfuhr im Verhältnis wenig (öffentliche) Aufmerksamkeit.

Da das Potenzial in visierten Beobachterkreisen bereits wenige Stunden nach dem Flare am 9. Oktober 2024 erkannt wurde (Stichwort „erdgerichteter LD Flare“), bereitete auch ich mich auf die Ankunft eines eventuellen CMEs vor. Meine Vorbereitungszeit war dabei geprägt von gedanklichen Umwürfen, da eigentlich schon länger eine ganz andere kostspielige Freitagabend-Planung fixiert war, als die wahrscheinliche mögliche Beobachtung der Hauptaktivitätsphase eines großen Polarlichts. Die folgenden Entwicklungen des Weltraumwetters spielten mir jedoch in die Hände: Der EPAM-Plot zeichnete bereits im Verlaufe des Donnerstags eine Bilderbuch-Rampe und holte am Nachmittag zum finalen Anstieg aus – Impact um 17 Uhr MESZ!

Mächtiger Polarlichtbogen bereits bei der Anfahrt

An diesem Donnerstag war ich noch lange auf der Arbeit und schaffte es erst nach Sonnenuntergang nach Hause, um noch schnell etwas zu Abend zu essen. Der parallele Blick auf das Satellitenbild sah gut aus, der Himmel schien zumindest innerhalb der ersten Nachthälfte nahezu frei von Wolken zu sein. Was ein Glück! Sonnenuntergang war an diesem Abend um etwa 18:30 Uhr Ortszeit. Um kurz vor 20 Uhr, mit dem Ende der nautischen Dämmerung, ging es aus dem Haus, um die Zivilisation in Richtung Norden zu verlassen. Bereits während der Anfahrt änderte sich das Himmelsbild durch meine Windschutzscheibe zunehmend: Der Dämmerungsbogen schien paradoxerweise mit der weiter sinkenden Sonne heller anstatt unauffälliger zu werden, was sich letztlich als Übergang der Dämmerung zum Polarlichtbogen herausstellte. Spannung baute sich auf. Umleitungsbedingte Umwege ließen mich so langsam nervös werden. Ich wollte schnellstmöglich unter freien Himmel treten!

Hektische Ankunft am Beobachtungspunkt

Mit Ankunft am Beobachtungspunkt, rund 30 Minuten später, parkte ich meinen Transporter am Rande eines dunklen Naturschutzgebietes auf einem Schotterweg und tauchte somit ein, in eine sehr vertraute nächtliche Umgebung. Solche Standorte weiß ich nach rund 10 Jahren der Himmelsbeobachtung sehr zu schätzen, wenn es darum geht, ein Naturphänomen in Auswirkung und Erscheinung zu beobachten und schließlich auch in seinen Ausmaßen einzuordnen.

Der erste Eindruck war gigantisch: Dort wo sonst ein visuell dunkler Horizont die vorgelagerten Wiesen ins Dunkel hüllt, leuchtete ein visuell deutlich sichtbarer Polarlichtbogen, der bereits derart groß war, dass eine recht weitwinklige 24mm-Optik nur einen Bruchteil abbilden konnte.

Nachdem alle Kameras liefen und ich mich mittlerweile voll dem Polarlicht widmen konnte, kam es immer wieder zu einer kleineren Strahlenaktivität im sonst sehr ruhigen, aber sehr präsenten, grünen Polarlichtbogen mit übergeordnetem Rot.

In meinem Rücken leuchtete der zunehmende Mond, der im Verlaufe der nächsten Stunde untergehen sollte. An diesem Abend war die Luft feucht und kühl, während Mond- und Polarlicht für eine insgesamt gedämpfte Lichtstimmung sorgten, in der die astronomische Dämmerung völlig unterging.

Sehr schnell entstand westlich von mir das RAGDA-Phänomen, welches sich mir zuletzt im Mai beeindruckend zeigte. (Damals am Südhimmel.)

(Link zur GIF-Animation: Klick.)

Jagd im Polarlicht

Mit der Zeit beruhigte sich die Polarlichtaktivität merklich und der grüne Bogen stand endlich visuell überschaubar und trotzdem noch eindrucksvoll am Nordhimmel, wie folgende Panorama-Aufnahme zeigt:

Während ich so über die vorgelagerten Wiesen des angrenzenden Moores hinwegsah, näherten sich aus Westen die Scheinwerfer eines Geländewagens, welcher sich schließlich zielstrebig meinem Standort näherte. Solche Begegnungen in absoluter Alleinlage in der tiefen Natur führen unweigerlich zur Anspannung, zumal sie das Beobachtungserlebnis unterschwellig trüben. Zu allem Überfluss hielt der Fahrzeugführer sein Auto direkt neben mir und suchte scheinbar voreingenommen das Gespräch: Es stellte sich heraus, dass es sich um einen Jäger handelt, der mir den Aufenthalt an diesem Standort strittig machen wollte. Wieder einmal zeigte sich mir ein Jäger von seiner schlechtesten Seite: Territorialverhalten, falsches Besitzdenken von Grund und Boden, Macht und Frustration inmitten einer großen Polarlichtnacht. Ich verabschiedete den Herrn mit einem persönlichen Wunsch, der gegenseitigen Achtung und Existenz, vor allem in der Natur. Mit scheinbar fehlendem Verständnis fuhr er davon.

Das anschließende Durchatmen fiel mir ungewöhnlich leicht. Zum Glück, denn so langsam deutete sich ein weiterer Substurm an: Keine Zeit, auch nur dem ernsthaften Gedanken eines Standortwechsels nachzukommen.

Zwischen den Polarlichtbögen

In den folgenden Minuten baute sich der nördliche Polarlichtbogen erneut auf, um Richtung Süden vorzurücken. Die Strahlenaktivität nahm erneut zu und passend zum untergegangenen Mond wurde die Landschaft in ein bemerkenswert helles Licht getaucht.

Als sich dann über mir ein weiterer weiß-grüner und später roter Polarlichtbogen bildete und sich ebenso bemerkenswert hell am Firmament abzeichnete, wurde es kurz außergewöhnlich hell. Die schnelle Suche nach Teilen meiner Kameraausrüstung in der seitlichen Schiebetür meines Fahrzeugs war ohne zusätzliches Licht möglich und ein diffuser Schatten meiner Person wurde in die Landschaft projiziert. (Siehe auch die folgenden Aufnahmen, in denen meine Person und das Fahrzeug auffällige Schatten werfen.) Zeitweise wurden die Sterne bestimmter Himmelsbereiche überstrahlt, die Nacht wirkte mondhell.

Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich perspektivisch zwischen den Polarlichtbögen, ein umwerfender Moment, mit Blick in Richtung Osten:

Dieser sich inmitten des Substurms auftuende Polarlichtbogen wirft für mich bis heute Fragen auf: Er entstand diffus und weit südlich des grünen, nördlichen Hauptbogens und stand südlich des Zenits, vom Westen bis in den Osten. Schon nach wenigen Minuten war der visuell weiße Bogen derart hell und klar begrenzt, sodass er sich stark vom Nachthimmel abhob. Die Helligkeit und Abgrenzung in Horizontnähe, vor allem in Richtung Osten, war ebenso bemerkenswert stark. Der weiße Bogen hatte einen leicht grünen Rand und färbte sich weitere Minuten später mit dem Verblassen fotografisch rot. Für SAR war alles Vorangegangene untypisch, ebenso für RAGDA. Sollte er wirklich „nur“ Bestandteil des Polarlichts sein, ein weiterer Bogen, südlich von mir am Himmel? Das wäre ebenso atemberaubend, wohl gleich die beschriebene Erscheinungsform mir gänzlich unbekannt vorkommt. Diese Beschreibung kann ich erstmal nur so festhalten, in der Annahme, dass ich irgendwann nochmal weitere Erkenntnisse zu dieser Erscheinung gewinnen kann.

Extrem sichtbares Rot in großer Höhe

Mit dem Abklingen dieses starken Substurms färbte sich der Himmel über mir tief rot, ebenso der beschriebene „mysteriöse“ Polarlichtbogen südlich des Zenits. Im Nordosten wurden in der Folge ein derart farbintensives Rot sichtbar, welches visuell extrem ins Auge stach. Hatte ich bisher schon einige Male rotes Polarlicht wahrnehmen können, das heutige Rot übertraf damit alles bisher Gesehene:

Mit dem abklingenden Substurm wurde das Rot immer intensiver, sodass mittlerweile die gesamte Landschaft in ein tief-rotes Licht getaucht wurde:

Schließlich kündigte sich das Ende des wolkenfreien Sektors an, welches mich mittlerweile fast drei Stunden durch die erste Nachthälfte begleitete. Mit dem Einzug vieler Wolken beendete ich meine Beobachtung gegen 0 Uhr MESZ. Während der Heimfahrt hielt ich noch einmal an, da das Polarlicht auch nach dem Abklingen des Substurms noch unglaublich hell wirkte, als ich die Landstraßen in Richtung Heimat fuhr. Schließlich machten die Wolken völlig dicht: Kaum noch ein Stern war sichtbar, während Wolken in Richtung Norden fotografisch aufgehellt wirkten. Für mich ging es damit ins Bett.

Stärkster Substorm zur astronomischen Mitternacht

Um kurz nach 1 Uhr MESZ kam es dann zum stärksten Substurm in dieser Polarlichtnacht. Vorangegangen waren nochmals bessere Werte am DSCOVR-Satelliten, der BZ lag nun bei maximal -45,8 nT. (!) Folglich kam es zu einem prächtigen und nochmal helleren Substurm, bei dem erneut die Farben Rot und Grün dominierten und bei dem es zu einer ausgesprochen starken und langanhaltenden roten Korona kam, die aus geografischer Sicht wahrscheinlich mindestens in der gesamten Nordhälfte Deutschlands beobachtet werden konnte.

Der weitere Verlauf der Nacht bestand aus kleineren und größeren Substürmen, die allerdings allesamt nicht das Vorangegangene übertrafen.

War das wirklich das bisher größte Polarlicht des 25. Sonnenzyklus?

Kurz und knapp, ja – zumindest in Sachen „Helligkeit“. Die Helligkeit des großen Mai-Polarlichts in 2024 wurde m.E. bereits beim Substurm ab kurz nach 22 Uhr MESZ übertroffen (eigene Beobachtung). Den stärksten Substurm dieser Nacht konnte ich nicht beobachten, jedoch ist von erfahrenen Beobachtern zu lesen, dass dieser im Vergleich zur vorangegangenen Aktivität (vgl. kurz nach 22 Uhr MESZ) noch einmal ausgedehnter und (im Zenit) heller daher kam. Und nun zu einem wichtigen Punkt, die Schönheit eines Polarlichts: Die Dynamik in Kombination mit Farbvielfalt des diesjährigen großen Mai-Polarlichts wurde in dieser Oktober-Nacht meiner Meinung nach nicht erreicht, wohl gleich bei diesem Oktober-Polarlicht eine deutlich spektakulärere Korona beobachtet wurde. (Meine Einordnung anhand anderer Beobachtungsberichte.)

Ganz ohne Frage, am Ende wird es sich bei diesem Polarlicht um eines der größten und stärksten Polarlichter des 25. Sonnenzyklus handeln.

Was bleibt: Die Freitagabendplanung und eine vielfach falsche Berichterstattung

„Passend“ zur bereits vor Wochen erstellen und Eingangs erwähnten Freitagabendplanung, beruhigten sich die Werte am DSCVOR-Satelliten schon 24 Stunden nach dem Impact derart bemerkenswert, als wäre nie etwas gewesen. Die breite Öffentlichkeit wurde jedoch im Verlaufe des folgenden Freitags derart aufgerührt (Zitat: „Polarlichter auch in der kommenden Nacht!“), dass es zur nächsten großen Enttäuschung kam. In der Folgenacht 11.10./12.10.2024 kam es zu keinem Polarlichtnachweis in mittleren Breiten, während die denkbar größte Aufmerksamkeit der Allgemeinheit auf dem Nordhorizont lastete. Diese fragliche Berichterstattung hielt auch in den folgenden Tagen an, schaukelte sich sogar rund eine Woche später noch einmal unbegründet auf: Für den 17. Oktober wurden neben einem „Supermond“ und dem Kometen „Atlas“ auch „bunte Polarlichter“ versprochen, wie sie zuletzt beobachtet werden konnten – ohne jeglichen Anlass. Ähnliche mediale Entwicklungen sind spätestens seit dem 23. Sonnenzyklus die Regel, siehe auch https://old.meteoros.de/polar/jahr00.htm.

Verweise