Jørgen K.

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Himmelsbeobachtung.net

Verweise:

Ausgedehnte Leuchtende Nachtwolken am 28.06./29.06.2024

Diese Beobachtungsnacht begann mit den Worten „Eigentlich sind die Beobachtungsbedingungen nicht so gut, aber die nächste Woche wird deutlich schlechter, also fahre ich mal raus“. Gemeint war ein Wolkenband im Norden, welches zu Beginn der Abenddämmerung große Teile des Nordhorizonts bedeckte. Dass ich dieses nicht zu fürchten brauche, habe ich vorher nicht zu denken gewagt, wobei das sehr späte und deutliche OSWIN-Echo zusätzlich motivierte:

Standort: bei Kirchdorf (ca. 52.6°N)
Beobachtungszeitraum der NLCs: 22:39 – 00:23 MESZ
Max. Helligkeit: 4
Max. erfassbare Höhe: 37° am Südost-Horizont / 14° am Südwest-Horizont
Max. erfassbarer Azimut: 200°-090°
Hinweis: Daten in Bezug auf den Abendsektor! Insg. Helligkeit „4“ sehr deutlich, mit Tendenz zur „5“ in bestimmten Bereichen der Erscheinung. Elevation am Südhorizont vor 22:39 MESZ ggf. noch niedriger. In Kombination mit der Azimut-Angabe wird verdeutlicht, dass nahezu der gesamte Himmel und große Teile des Horizontbereichs von den NLCs bedeckt waren.

Bis tief runter am Südhorizont: Die NLCs in der Abenddämmerung

Nachdem ich um kurz vor 22 Uhr das Haus verlassen hatte und für längere Zeit das Ziel verfolgte, in Richtung Norden die Zivilisation weitesgehend hinter mir zu lassen, war ich um ca. kurz nach 22:30 Uhr Ortszeit in der Umgebung meines Zielortes angekommen: In einem Landschaftsschutzgebiet, angrenzend an ein Natur- und Vogelschutzgebiet, in dem ich bisher fast ausschließlich stimmungsvolle Nächte verbringen durfte.
Mit Beginn der bürgerlichen Dämmerung bog ich also links in einen Feldweg, um erstmals an diesem Abend unter den freien Dämmerungshimmel zu treten. Das dicke Wolkenband im Norden im Blick, schaute ich kritisch auf den klaren Himmel über mir. Ich muss einen irritierten Blick draufgehabt haben, denn mir war sofort klar, dass sich dort oben erste NLCs abzeichneten! Der Blick in den Südwesten: Erste deutliche Strukturen vom Typ III. In dieser Dimension „überwältigend!“, sagte ich mehrmals zu mir selbst.

Ohne den Plan umzusetzen, mir vor Ort eine lange Hose und ein langärmliches Hemd anzuziehen, ging es mit kurzer Kleidung und im Geschwirr vieler Mücken an die Arbeit. Das erste Ergebnis dieser beginnenden NLC-Nacht: Ein umfassendes Panorama des Südhimmels, bei einem Sonnenstand von ca. -7,1°, welches tiefreichende Leuchtende Nachtwolken bis auf eine Höhe von ca. 14° im Südwesten offenbart:

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Ein solcher Nachweis gelingt mir damit zum ersten Mal in einer solchen Klarheit und Nachvollziehbarkeit. Viel zu oft stand ich in der Vergangenheit mit verdeckter Südsicht an einem Waldrand und konnte solche Entwicklungen nicht nachvollziehen.

Beeindruckt schaute ich immer wieder in den Zenit, an dem sich innerhalb weniger Folgeminuten deutliche Strukturen der Helligkeit 3 abzeichneten:

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Waren die Leuchtenden Nachtwolken, bedingt durch die sinkende Sonne, gerade noch am auf- bzw. durchziehen, so baute sich bereits jetzt Spannung auf, was die Entwicklung in Richtung Norden anging. Bevor jedoch der niedere Nordhorizont dunkel genug war, konnte ich in Ruhe das folgende umfassende Panorama des Nordhimmels anfertigen:

Schließlich packte ich meine Sachen zusammen, um den Spot für die weitere Beobachtung noch ein wenig zu verlagern. Hier hatte ich letztlich nur spontan Halt gemacht und wurde kurzerhand aufgehalten, weil die Vorstellung Leuchtender Nachtwolken früh und überwältigend begonnen hatte.

Tierischer Kontakt in einem Meer von Leuchtenden Nachtwolken

Doch weit kam ich nicht: Nach wenigen Hundert Metern bog ich links in einen weiteren Feldweg ein, da zeichnete sich die dunkle Silhouette eines Storches vor dem NLC-gefluteten Dämmerungshimmel ab. Wunderschön, dachte ich mir, und näherte mich dem Storch vorsichtig und behutsam zu Fuß. Kurz bevor ich den Deckel meines Objektivs fallen ließ und der Storch damit davon flog (ich habe mich tierisch geärgert, vor allem aus Sicht meiner Ruhestörung), konnte ich folgende vertikale 24mm-Aufnahme auslösen, welche ziemlich genau in Richtung Westen ausgerichtet war:

Trotz allem, eine wiklich stimmungsvolle Begegnung in dieser beginnenden Nacht.

Ich startete einen weiteren Versuch, mein nicht mehr weit entferntes, aber eigentliches Ziel, zu erreichen. Wieder passierte ich im Schrittempo die befahrbaren Feldwege in nordwestliche Richtung und konnte derweil durch meine Windschutzscheibe beobachten, wie die NLCs immer heller wurden.

Angekommen, blickte ich auf eines meiner liebsten Motive in diesem weitläufigen Gebiet: Zwei alte Eichen, die schon des Öfteren als Kulisse meiner nächtlichen Beobachtungen herhalten mussten. Egal ob mit oder ohne Kamera, dieser Ort ist vor allem bei Nacht sehr besonders. Mal ganz davon abgesehen, dass hier in völliger Stille und ohne weitere menschliche Störung die Natur beobachtet werden kann. Zurück zur Gegenwart: Schnell zog ich mir eine lange Hose und auch Jacke an, gegen Ende der nautischen Dämmerung wurde es sehr schnell, sehr kalt.

Und dann: Helle NLCs aus stimmungsvoller Perspektive

Heute Abend kam ich diesen Bäumen so nah wie noch nie, geschuldet der frisch gemähten Wiese, welche ich sonst und aus Respekt vor der dortigen Pflanzenwelt nie betreten hatte.
Rund 70m vor den alten Eichen ließ ich mich auf die Knie und auf den weichen Boden fallen, um auch selbst einen noch isolierteren Blick auf die NLCs über den Baumkronen zu haben. Aus Perspektive dicht am Boden, konnte ich folgenden Moment einfangen:

Nach einiger Zeit und einigen Bildern, die ich immer mal wieder zwischendurch auslöste, während ich die Landschaft, den aufkommenden und schnell wieder zerfallenden Bodennebel beobachtete, der Wildtierwelt lauschte, in den noch hellen Sternenhimmel blickte und das Geschehen im Norden verfolgte, ging es wieder zurück auf festen Boden. Der aufkommende nächtliche Tau sorgte für einen Duft von Wiesen, Sandböden und tiefster Natur, der mich noch einmal euphorischer stimmte. Ja, für sowas fährt man raus!

Das helle NLC-Feld im Nordwesten verblasste gegen 00:30 Uhr Ortszeit (MESZ) schnell und deutlich.

Neue NLCs zur astronomischen Mitternacht

Es kam zu wenigen Minuten mit geringer NLC-Aktivität am Nordhorizont, bis in nördlicher Richtung gegen 1 Uhr (MESZ) ein weiteres Feld Leuchtender Nachtwolken aus dem Dämmerungsbogen empor stieg:

Kurz darauf konnte ich den Aufgang des abnehmenden Mondes beobachten:

Rund um die astronomische Mitternacht war es eine helle Nacht: Der gelbliche Schein des aufgehenden Mondes, helle NLCs in Richtung Norden, über der Landschaft lag bis zur Morgendämmerung ein geheimnisvoller Schein.

Diese zweite Erscheinung Leuchtender Nachtwolken in dieser Nacht habe ich bis ca. 3 Uhr Ortszeit und während der Heimfahrt immer mal wieder gezielt verfolgt, wobei mein eigentliches Ziel das Bett war. Die NLCs im Morgensektor waren azimutal von 325° bis mindestens 55° in nordöstlicher Richtung sichtbar und erreichten ihre maximale Höhe mit 7° um ca. 02:45 MESZ, bei einem Sonnenstand von ca. -12,8°. Auch sie erreichten eine maximale Helligkeit 4, wie das vorrangegangene Abenddisplay, nur längst nicht so spektakulär. Diesen letzten Daten beziehen sich auf einen Standort bei Lübbecke.

Mit der fortschreitenden Morgendämmerung fand diese Beobachtungsnacht ihr Ende.